„Internet-Monopoly“ und was dagegen zu tun ist
Pressemitteilung, 16.2.2012
Wieso Internet-Monopoly? Wer bei Wikipedia über das Ziel von Monopoly
nachschlägt, erhält die Antwort: „Ziel des Spiels ist es, ein
Grundstücksimperium aufzubauen und alle anderen Mitspieler in die
Insolvenz zu treiben“.
Wir sind auf dem besten Weg dorthin.
Das Internet, als dezentrale Infrastruktur für Information und
Kommunikation entwickelt, ist im Begriffe, sich vom Grund her zu
verändern. Einige weltweit tätige Player, allen voran Google, Facebook
und Apple, haben für ihre Bereiche quasi das Monopol übernommen.
Monopole sind hinderlich für eine weiterhin offene Entwicklung des
Internets. Das zeigt sich bei Apple, wenn das Unternehmen versucht,
seinen Teil vom Internet zu separieren und abzugrenzen; das zeigt sich
bei Facebook, das mit einem Schuss Größenwahn will, dass wir uns alle
digital nackt zeigen, obwohl sich das Unternehmen selbst in vornehmes
Schweigen hüllt, wenn es um Datenschutz und Transparenz im Umgang mit
Daten geht.
Monopole sind aber geradezu gefährlich, wenn sie sich auf die zentrale
Ressource unserer Gesellschaft bezieht: Die Information. Gefunden zu
werden heißt, gegoogelt zu werden. Das digitale Sein oder nicht Sein
wird von und über Google definiert.
“’Was ist zu tun?“‘
Politisch sehen wir zwei Ansatzpunkte:
- Erstens Alternativen fördern.
- Zweitens faktische Monopole regulieren, wofür zahlreiche Vorschläge und Ideen vorhanden sind – alleine der politische Wille, sie durchzusetzen, begrenzt sie.
“’Zur Frage der Alternativen:“‘
Grundsätzlich wurden auf europäischer Ebene zahlreiche Projekte im
Bereich des Internet gestartet. Dabei wurden zwar Forschungsgelder im
Milliardenbereich verbrannt, aber ohne dass sie auf die Entwicklung
des Internet irgend einen Einfluss gehabt hätten. Die Förderung von
Alternativen kann nur dann ein Weg sein, wenn nicht Großunternehmen
damit beauftragt werden, sondern die Dynamik des Netzes, Start-Ups,
etc. angesprochen werden, um ihre Ideen weiter zu entwickeln. Das
Instrumentarium der Forschungsförderer ist aus dem vorigen Jahrhundert - es muss dringend aktualisiert werden.
Zudem ist zu diskutieren, in welcher technologischen Richtung aktuell
geforscht werden sollte. Wir plädieren dafür, technologische
Plattformen zu fördern, die aufgrund ihrer technologischen Struktur
nicht bzw. nur schwer monopolisierbar sind. P2P-Suche, YaCy,
weiterentwickelte UUUP-ähnliche Netze ohne zentrale Instanzen oder
Freifunknetze sind bereits vorhandene Ansätze.
Auch wenn das nächste Google vielleicht nicht aus Europa kommen wird,
die Fortentwicklung der Suchmaschinentechnologie als „Kulturtechnologie
der digitalen Gesellschaft“ sollte in Deutschland und Europa weiterhin
erforscht, entwickelt und gelehrt werden.
Und nicht vergessen werden sollte auch die Förderung der
Nutzerkompetenz. Nur aufgeklärte und informierte Nutzer werden die
skizzierten Veränderungen erkennen und sich möglicherweise für ein
anderes Verhalten entscheiden.
“’Zur Frage der Monopolregulierung“‘
Was für den Bereich der Printmedien, TV und Hörfunk funktioniert,
könnte auch für den digitalen Bereich greifen. Die KEK, die „Kommission
zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich“, erlegt den
Betreibern von Fernsehsendern mit marktdominanter Reichweite Auflagen.
Ähnliches Vorgehen könnten auch im Online-Bereich greifen. Es könnte
auch auf europäischer Ebene etabliert werden. Die Netzgemeinde sollte
eine offene Diskussion darüber führen, ob sie solche Kontrollstrukturen
für angemessen hält. Und wie diese Struktur seitens Politik und
Zivilgesellschaft besetzt werden müßte.
Darüber hinaus gibt es schon heute zahlreiche Beispiele für die
erfolgreiche Regulierung zur Abschaffung faktischer Monopole.
Vorstellbar wäre etwa eine Clearingstelle zur Prüfung potentiellen
Machtmissbrauchs, die vor einem aufwändigen Gang zum Kartellamt greifen
kann; beispielsweise könnte stichprobenartig geprüft werden, inwieweit
Rankings marktdominanter Suchmaschinen plausibel oder willkürlich sind;
auch quasimonopolistische Strukturen wie der Apple App-Store mit seinen
Zensurbestrebungen wären potentielle Kandidaten für entsprechende
Aktivitäten.
Möglich wäre aber auch der Zwang zur Offenlegung der Geschäftsberichte
und von Geldflüssen, ein OpenData für Monopolies.
Eingriffsmöglichkeiten böte auch die Steuergestaltung bei globalen
Online-Oligopolen. Die französische Sarkozy-Kommission hat
entsprechende Vorschläge auf den Tisch gebracht, auch alternative
Formen, wie progressive, an Marktanteile gebundene Steuersätze oder
-instrumente wären möglich.
Bei diesen und allen weiteren Vorschlägen muss eines klar sein: es sind
nicht die endgültigen Regeln für ein freieres Internet – sondern es
sind Diskussionspunkte, die alle im Einzelnen sorgfältig mit allen
Beteiligten diskutiert werden müssen. Wichtig ist: der Einstieg in
diese Diskussion muss endlich erfolgen!
Neben dem Einsatz grundsätzlich wirksamer Instrumente sind auch
suchmaschinenspezifische Regulierungen vorstellbar:
- Ein Verbot, marktdominante Suchmaschinen in Portale und Browser voreingestellt einzubauen (so wie es Google vor vielen Jahren gegen Microsoft durchgesetzt hatte – und heute selber voreingestellte Suchmaschine ist).
- Die Auflage, dass marktdominante Suchmaschinen nur 60-70% der Anfragen selbst verarbeiten dürfen, weitere an die Konkurrenz weiterleiten müssen (ein sehr weitgehender Vorschlag aus SPIEGEL-Online).
- Das Verbot, marktdominierende Suchmaschinen in die Adresszeile von Browsern zu integrieren.
- Das Verbot, Werbeplätzen oberhalb der organischen Suchergebnisse für eigene Werbung zu benutzen.
- Oder das Gebot, den Index marktdominanter Suchmaschinen über eine Public API auch für kommerzielle Konkurrenz begrenzt zu öffnen.
Auf europäischer Ebene hat vor einigen Jahren der Fall Microsoft
gezeigt, dass die Europäische Kommission zwar Zeit benötigt, um zu
reagieren, diese Reaktionen aber dennoch zu erheblichen Konsequenzen
führen. Der Internet-Explorer, vormals in einer ähnlichen
Vormachtstellung wie Google als Suchmaschine, teilt sich seinen Markt
inzwischen mit durchaus potenten Wettbewerbern Mozilla Firefox und
Google Chrome, aber auch weiteren Browsern. Mittlerweile ist die
Situation aber eher umgekehrt: Google ist meist die voreingestellte
Suchmaschine ohne vorherige Auswahl durch den Nutzer.
Zur grundsätzlichen Perspektive des Internets
Das Internet steht vor einer Weichenstellung. Bleibt die ursprüngliche
Idee eines dezentral aufgebauten, nicht zentral steuerbaren und deshalb
auch nicht zentral beherrschbaren Netzes bestehen, oder dominieren
künftig monopolunternehmens- oder staatlich dominierte Konzeptionen das
Netz? Welche gesellschaftspolitischen und technischen Konzeptionen
prägen das Internet von morgen?
Wir plädieren für eine gesellschaftliche Perspektive von
Selbstorganisation, Offenheit und Mitbestimmung. Demokratisch
legitimierte Entscheidungsgremien können eine wirkungsvolle Gegenmacht
zu naturwüchsig entstandenen Quasimonopolen oder/und supranationalen
politischen Machtstrukturen, beispielsweise unter Verantwortung der
UNO, sein. Die zahlreichen autoritären Staaten, die in der Uno von
erheblichem Einfluß sind, zeigen, dass Staat auf globaler Ebene keine
demokratische Perspektive gewährleisten.
Multiethnizität wäre hier ein wichtiges Stichwort, um die Dominanz der
USA in allen IT und Technologiefragen zu relativieren.
Zu diskutieren ist dabei auch, inwieweit ein Recht auf informationelle
Selbstbestimmung und informationellen Zugang eine Möglichkeit wäre,
Grundrechte von Individuen zu gewährleisten.
Diese strukturellen Fragen sollten auch technisch umgesetzt werden. Da
die aktuelle Debatte um das Internet oftmals von der Frage der
Kostenlos-Kultur dominiert wird, plädieren wir für eine technische
Form, die Offenheit, Dezentralität und Störungsrobustheit
gewährleistet. Dabei geht es längst nicht mehr um die Frage, ob
entweder Information und Kommunikation oder Kommerz das Internet
prägen, vielmehr geht es darum, zivilgesellschaftliche Formen der
Nutzung, Information und Diskussion gleichzeitig mit kommerziellen
Angeboten zu ermöglichen.
Es wird auf die Mischung ankommen. Ein Netz, um das gleichberechtigte
Organisationen um die besten Lösungen im Wettbewerb stehen, verspricht
eine anhaltende Dynamik. Um diese marktwirtschaftliche Dynamik zu
erhalten und den Einfluss weniger „Großer“ zu beschränken, sind
Verständigungen zwischen Zivilgesellschaft, Staaten und
Wirtschaftsunternehmen – großen wie kleinen – notwendig. Höchst
überfällig, die Debatte darum endlich zu beginnen.
Dieser Text ist ein Excerpt eines Vortrages zur Domainpulse-Konferenz
am 13.2.2012 in Hamburg und am 22.3.12 an der FU-Berlin;
Vortragsfolien und weiterführende Links finden
Sie unter http://metager.de/monopoly
Kontakt:
Wolfgang Sander-Beuermann
Dr. Wolfgang Sander-Beuermann Tel.: 01520-2883048 wsb@suma-ev.de
Geschäftsführer SuMa-eV [www.suma-ev.de]
Leiter Suchmaschinenlabor Leibniz Universität Hannover [www.metager.de]