Unsere Stellungnahme zur Informationsfreiheit im Russland/ Ukraine-Krieg

Unsere Stellungnahme zur Informationsfreiheit im Russland / Ukraine-Krieg 

Die EU (Rat der Europäischen Union) hat mit einer Verordnung vom 1. März 2022 (1) Maßnahmen in die Wege geleitet, die unter anderem dazu führen, dass russische Internetseiten europaweit nicht mehr erreichbar sind. So sollen Desinformationskampagnen des russischen Staates Einhalt geboten werden. Auch die Inhalte des russischen Staatssenders RT und Sputnik dürfen in der EU von nun an nicht mehr verbreitet werden. Damit üben auch die Länder des Westens eine schärfere Informationskontrolle aus. 

Es melden sich vermehrt NetzpolitikerInnen zu Wort, die dieses Vorgehen kritisieren und einschränkende Maßnahmen als Zensur bezeichnen. Angst vor russischen Gegenmaßnahmen, die die Informationsfreiheit russischer Bürger sowie JournalistInnen beeinträchtigen würden, wären die Folge, heißt es in einem Artikel von Netzpolitik.org [https://netzpolitik.org/2022/informationskontrolle-russland-verschaerft-internet-und-pressezensur/]. In Russland ist die Informationsfreiheit schon jetzt erheblich eingeschränkt. Zudem ist es auch für BürgerInnen des Westens wichtig, sich darüber zu informieren, welche Sicht die russische Seite einnimmt. Informationen nur hinsichtlich ihres Manipulationspotentials zu betrachten, ist in einer demokratischen Gesellschaft äußerst problematisch. Informationsfreiheit ist ein hohes Gut, das nicht voreilig und ohne demokratischen Diskurs – der auf parlamentarischer Ebene stattfinden sollte – über Bord geworfen werden sollte. 

Die EU-Verordnung kann auch als Verbot von Projekten gelesen werden, die ein Umgehen der Internetzensur ermöglichen bzw. darüber informieren. Demnach ist es verboten, „wissentlich und vorsätzlich an Aktivitäten teilzunehmen, mit denen die Umgehung der in dieser Verordnung festgelegten Verbote bezweckt oder bewirkt wird. (…)“. Der SUMA-EV verurteilt dieses EU-weite Verbot, auf Umgehungsmaßnahmen hinzuweisen im Hinblick auf unseren Fokus auf Wissensfreiheit. In dem Umgehungsverbot sehen wir einen unangemessen schwerwiegenden Verstoß gegen Art. 11 der EU-Grundrechtecharta. Jede Person hat gemäß der Charta das Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, die zum einen ohne behördliche Eingriffe und zum anderen über alle Staatsgrenzen hinweg ermöglicht werden muss.

Die EU-Verordnung könnte nun einerseits Aktionen betreffen, die BürgerInnen darüber informieren, wie technisch eine Umgehung von Zensur realisiert werden kann. So bietet der Verein Digitalcourage auf seiner Internetseite (2) eine Anleitung, die sich insbesondere an russische und ukrainische Bürger richtet. Andererseits könnten Aktionen wie die Stärkung des Tor-Netzwerkes („Snowflake“) betroffen sein. Mit „Snowflake“ – einer austauschbaren Übertragungsart – ist es möglich, die Internetzensur zu umgehen. (3) Benutzer können somit auf das offene Internet zugreifen, auch wenn reguläre Tor-Verbindungen zensiert werden. Viele Aktivisten arbeiten daran, das Tor-Netzwerk zu stabilisieren, um Blockaden zu verhindern. Dabei verhelfen diese durch AktivistInnen gebauten sogenannten Bridges vor allem auch Menschen in Russland zu der Möglichkeit unabhängiger Informationen. Ungehinderter Zugang zu Informationen ist zudem ein wesentliches journalistisches Werkzeug. Nur ein unzensiertes Internet bietet JournalistInnen die Möglichkeit, investigativ zu arbeiten, Informationen auszutauschen und sich zu vernetzen. 

Sowohl der Aufbau von Infrastruktur als auch die Anleitung zur Umgehung von Zensur könnten durch die Verordnung aber strafbar werden und das Projekt behindern. Wenn sich Akteure durch Angebote – zu denen auch unsere MetaGer-Instanz im Tor-Netzwerk gezählt werden kann – künftig in Rechtsunsicherheit begeben, erschweren sich auch innerhalb der Europäischen Union die Bedingungen für Wissensfreiheit. Zwar liegen laut der EU-Verordnung Sperrungen von Websites bzw. Verbote von Zensur-Umgehungswerkzeugen in einer Sanktionsstrategie begründet. Dass sie aber auch ein Zensurinstrument sind, das hier mal eben eingeführt wurde, darf bei alledem nicht vergessen werden. 

Wie positioniert sich MetaGer? Wir bedauern, dass bestimmte Inhalte inzwischen gesperrt und von Suchmaschinen nicht mehr auffindbar sind. Im Sinne der Informationsfreiheit sperren wir keine Seiten, sondern ranken allenfalls Seiten herunter, die Desinformationen verbreiten. Uns ist bewusst, dass auch dieser Eingriff keine ideale Lösung darstellt. Aber damit gehen wir einen Kompromiss ein, mit dem wir trotz allem versuchen, sicherzustellen, dass Informationen, die gesucht werden, auch gefunden werden können. Die Möglichkeit, über Zensur-Umgehungsinstrumente zu informieren bzw. sie aktiv bereitzustellen, spielt hierbei eine große Rolle und sollte von poltischer Seite aus nicht eingeschränkt werden.

(1) https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=uriserv%3AOJ.L_.2022.065.01.0001.01.DEU&toc=OJ%3AL%3A2022%3A065%3ATOC

(2) https://digitalcourage.de/blog/2022/tor-for-peace

(3) https://support.torproject.org/de/censorship/what-is-snowflake/

About the author

Seit 2013 arbeite ich für den SUMA-EV im Bereich Social-Media, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Vor meiner Tätigkeit beim SUMA-EV habe ich kreatives Schreiben für Kinder unterrichtet und als Autorin gearbeitet.
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