Vom Ende des Internets, wie wir es heute kennen
Wie die deutsche und europäische Zivilgesellschaft bei der Weiterentwicklung des Internets interventionsfähig werden kann. Aufruf zu einer strategischen Diskussion
(Call for Paper)
Das Internet steht am Beginn einer neuen Epoche. Ging es bisher um schnellen, niedrigschwelligen Wissenszugang und einfache weltweite Vernetzungsmöglichkeiten, drängen kommerzielle und machtstrategische Interessen zunehmend in den Vordergrund. Freiheit und Offenheit weichen schrittweise Zensur und Kontrolle.
Unser Worst-Case-Szenario: Die Zivilgesellschaft wird diesen Eingriff ins Netz nicht verhindern können. Vor diesem Hintergrund möchten wir aus einer deutschen und europäischen Perspektive die strategische Diskussion um den Charakter des Internets der Gesellschaften eröffnen.
Was kommt nach dem Wilden Westen im Netz?
Die Zivilgesellschaft setzt auf Ansätze wie Open Source, Netzneutralität und Schwarmintelligenz. Die Zukunft des Netzes wird aber zunehmend von den Geschäftsstrategien der Großen – Google, Apple, Facebook und Microsoft – und einer durchgängig amerikanischen Sichtweise geprägt: Landnahme und Ansiedlung.
Die Stimmung der Netizens erinnert uns an die Träume und Ideen der Siedler beim Anblick der Weiten des Westens. Mit dem Überschwang von Visionen und Träumen gingen der Wunsch nach Herrschaftslosigkeit und Selbstregulierung gegenüber. Daraus entstanden ist das größte Businessmodell der Weltgeschichte. Was das bedeutet, davon konnte sich Barack Obama bei der Einführung der Gesundheitsreform überzeugen.
Wir Netizens befinden uns in einer ähnlichen Situation. Wir sind berauscht von den Möglichkeiten globaler Vernetzung, der Beschleunigung des Wissenszuwachses und den damit verbundenen Möglichkeiten. Wir nutzen dazu die Geschenke der Großvisionäre Google, Facebook und Co. Und wir befürchten: Die Kostenloskultur des Internets könnte zum Feuerwasser des 21. Jahrhunderts werden. Und weiter: Wir Europäer diskutieren lebhaft darüber, was im Netz alles möglich wäre. Aber die Entscheidungen werden fernab getroffen. Gegen die geballte Kraft fondsgetriebener Innovationen sind moderierte öffentliche Strategien und staatliche Innovationsprogramme scheinbar machtlos. Aber welche Rolle kann dabei die europäische und Welt-Zivilgesellschaft einnehmen? Begnügen wir uns mit Bonmots am Rande? Oder wollen wir effektiv und interventionsfähig sein?
Für das Internet von morgen wird heute Maß genommen. Wir sind dabei!
Es geht nicht darum, sich die Utopien des Web 3.0 auszumalen. Sondern es geht darum, den Kampf um Macht und Design des Netzes mit zu bestimmen.
Das Netz hat das Wissen der Welt zugängig gemacht, aber wann wird die Rechnung präsentiert? Wie arrangieren sich welche Unternehmensinteressen und Wertschöpfungsmodelle mit der Idee einer freien, selbstbestimmten Diskussions- und Kollaborationsplattform? Wird die Netznutzung von Angst und Misstrauen bestimmt oder erleichtert sie unser Leben und eröffnet neue Horizonte? Wo sind strategische politische Interventionen nötig? Oder überhaupt möglich?
Wir wollen auf unserem diesjährigen Kongress darüber reden, wie wir im Kampf um das Web von morgen die Träume von gestern und heute bündnisfähig machen können. Wir, die Zivilgesellschaft. Im streitbaren Dialog mit Unternehmen und Politik.
Für diese Debatte erwarten wir uns für unsere Jahrestagung substanzielle Beiträge. Wir bitten um die Zusendung entsprechender Exposees bis zum:
15. Juni 2010 per EMail an kongress@suma-ev.de
Arena frei!
Bitte vormerken:
SuMa-eV Kongress 2010, 6.10.2010, 10.00-19.00, Vertretung des Landes Niedersachsen beim Bund, In den Ministergärten 10, 10117 Berlin. Anmeldungen für den Kongress können ab sofort erfolgen auf der Website des Kongresses: http://www.suma-ev.de/forum2010
Wolfgang Sander-Beuermann