Eine kleine Geschichte des SUMA-EV

Ohne MetaGer kein SUMA-EV, und ohne SUMA-EV kein MetaGer

Vorgeschichte

Die Entscheidung, MetaGer sowie den Verein SUMA-EV zu gründen, fiel in eine bestimmte Zeit. Es war die Zeit der neunziger Jahre, als das Internet wuchs, unübersichtlicher wurde und angesichts der wachsenden Zahl an Webinhalten Suchmaschinen immer wichtiger wurden. Die Möglichkeiten zur Suche waren beschränkt. Googles Vorläufer-Projekt BackRub war gerade erst an den Start gegangen. Es gab viele Suchmaschinen, die aber jeweils nicht in der Lage waren, das gesamte Netz abzusuchen, so dass man jeweils mehrere nacheinander benutzen musste, um etwas zu finden. Die Suche war wenig komfortabel und wurde durch die wachsenden Inhalte immer aufwendiger.

Interessant ist, dass die Frage nach der Optimierung der Informationssuche in Deutschland im universitären Bereich ihren Anfang nahm. Genauer gesagt in Rechenzentren. Das hatte unter anderem seinen Grund auch darin, dass die universitäre Informationssuche, die Datenbanken, Bibliotheken beinhaltete, zunächst noch relevanter war als die allgemeine Suche. Die Verbesserung der wissenschaftlichen Informationssuche war so betrachtet Ausgangspunkt für die gesellschaftliche.

Gesucht und gefunden: MetaGer

Die Notwendigkeit einer technischen Lösung des Problems lag nahe und wurde in den USA auf die Beine gestellt. Im Jahr 1995 wurde die erste, breiter genutzte Metasuchmaschine, der MetaCrawler von zwei US-Forschern der University of Washington entwickelt, von Erik Selberg und Professor Oren Etzioni1. Die Zeit war offenbar reif für diese Art der Meta-Suchmaschinen: nur vier Monate vor MetaCrawl war das Projekt SavvySearch auf den Markt gekommen, das an der Colorado State University entwickelt wurde. In Deutschland wurde eine solche Lösung, die die Suche erleichtern sollte, von Dr. Wolfgang Sander-Beuermann 1996 (Und damit steht hier auch gleich das nächste Jubiläum im Jahr 2026 im Raum…) mit Unterstützung engagierter Uni-Kollegen realisiert. Sie bestand, wie auch bei MetaCrawl, in der Idee, eine Meta-Suchmaschine auf eine Weise zu programmieren, mit der sich die aufwändige manuelle Suche erübrigte. Über den Anfang von MetaGer gibt es eine Anekdote, die der Gründer Dr. Wolfgang Sander-Beuermann in einem Interview erzählte2:

„MetaGer entstand bei einem Mittagessen auf der Cebit 1996. So wie man sich das typischerweise bei Ingenieuren vorstellt. Auf einer Papierserviette.

Ich hatte mich mit einem Bekannten, ebenfalls Ingenieur, verabredet, und wir schwärmten beim Mittagessen von den neuen Möglichkeiten, die das Internet bietet und die die Welt verändern würden. Letzteres ist ja auch genau so eingetroffen. Die meisten Menschen hatten es 1996 nur noch nicht bemerkt.

Natürlich kamen wir auch auf Suchmaschinen zu sprechen und den fantastisch tollen Service, den Altavista bietet. Allerdings konnte man auch mit Altavista nur einen kleinen Teil des Internet absuchen. Wenn man richtig suchen wollte, dann musste man danach noch alle weiteren damals verfügbaren Maschinen absuchen: Lycos, Hotbot, Infoseek usw – insgesamt etwa ein Dutzend.

An dieser Stelle kam uns blitzartig die Idee, dass dieses Nacheinander-Suchen doch viel besser, schneller und gründlicher mit einem Programm zu machen sei. Das war die Geburtsstunde der deutschen Metasuchmaschine, aus der dann später MetaGer wurde – , denn so ein Programm nennt man eine Metasuchmaschine.“

Auf die Frage, welche Rolle das Rechenzentrum in Hannover bei der Entwicklung spielte, erzählt Dr. Wolfgang Sander-Beuermann:

„Das waren mehrere Rollen: einmal einfach eine „Kreativ-Bude“. Dort waren Leute, die sich in allen Bereichen der IT auskannten. Ich konnte zu jedem hingehen und fragen, wenn ich was nicht wusste. das Klima dazu war ideal: alle waren uni-typisch kooperativ und gern hilfsbereit. Dazu kam: die technische Infrastruktur war optimal. So etwas konnte damals niemand privat organisieren. Internetprovider waren noch selten in Deutschland – Rechenleistung gab es im Rechenzentrum „unendlich“. so entwickelte sich das Baby. Bis eines Tages, als MetaGer ungefähr ein Drittel des gesamten Datentraffics der Uni Hannover verursachte, eine Nachfrage kam: „Was macht ihr da eigentlich??“. Die Leitung des Rechenzentrums stand aber immer dahinter, und wir hatten ziemlich grünes Licht. Ich musste daneben natürlich die Aufgaben machen, für die ich eingestellt war. Vor allem Lehrveranstaltungen für die Nutzer des Rechenzentrums. So begann ich meist morgens zwischen 4 und 5 an MetaGer zu arbeiten, danach kamen meine „Dienstaufgaben“ (meist ab ca. 9 Uhr). Noch etwas kam dazu, was die Sache erst wirklich möglich machte: wir hatten gerade einen genialen Hiwi eingestellt: Mario Schomburg. Er programmierte MetaGer so um/neu, dass es auch wirklich funktionierte, und mit diesen Datenmengen sicher umgehen konnte.“

Kleine Geschichte des Rechenzentrums

Dass MetaGer an einer Universität entwickelt wurde, ist kein Zufall. Universitäten wurden ab 1952 bei der Entwicklung und Beschaffung von Rechnern gefördert. Ein erstes Rechenzentren entstand zum Beispiel in München (1957 an der Technischen Hochschule München, heute Technische Universität München).

1963 bekam die Technische Hochschule Hannover ein Rechenzentrum, welches mit einem Supercomputer ausgestattet wurde: Eine Control Data 1604-A/8090. Sie wurde, wie Wilhelm Noack, ein ehemaliger Rechenzentrumsmitarbeiter, ausführte, jahrelang von studentischen Hilfskräften bedient.3

Ab 1971 baute ein Team festangestellter Mitarbeiter unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Helmut Pralle das Regionale Rechenzentrum für Niedersachsen (RRZN)/Universität Hannover auf, in welches das lokale Rechenzentrum integriert wurde. 1972 konnte der Rechenzentrumsbetrieb dann mit eigenen Großrechnern aufgenommen werden. Mitte der 1980er Jahre waren insgesamt drei CDC-Rechner vorhanden. Eine sehr ausführliche Geschichte des Regionalen Rechenzentrums in Hannover ist in einer Festschrift zum 150jährigen Bestehen der Universität Hannover von Professor Pralle erstellt worden4.

Die Offenheit gegenüber einem Projekt wie MetaGer in den 1990ern lag in den neuen technischen Möglichkeiten an den Universitäten, aber nicht zuletzt auch in der Aufbruchstimmung dieser frühen Tage des World Wide Web, in denen die neuen Möglichkeiten der Informationsbeschaffung gigantisch waren. Eine wissenschaftliche Information, für die man davor zum Teil mehrere Bibliotheken aufsuchen musste, manchmal sogar irgendwo in Deutschland, konnte man immer viel bequemer und oft in Minuten auffinden. Auf unserer Webseite https://metager.de/about finden Sie einen interessanten und übersichtlichen Abriss der MetaGer-Geschichte.

Wo MetaGer zu Hause ist: Vom Rechenzentrum zum SUMA-EV

Zunächst wurde MetaGer als Forschungsprojekt an der Universität betrieben. Als MetaGer als Testsieger des Vergleichstestes der Zeitschrift „Computer – Das Magazin für die Praxis“ 2008 hervorging, kommentierte Professor Gabriele von Voigt als Leiterin des RRZN das Ergebnis wie folgt: „Hier zeigen sich die Erfolge stetiger Weiterentwicklung unserer Suchmaschinen. Diese Erfolge können uns nur Ansporn sein, unser exzellentes Angebot insbesondere für Wissenschaft und Forschung im rasanten Tempo des Internet weiter zu entwickeln und zur Verfügung zu stellen.“5

Dennoch war die Zeit, da an Rechenzentren solche innovativen Projekte gefördert wurden, irgendwann vorbei. Im Falle MetaGers war dies die Geburtsstunde des SUMA-EV: Als 2004 absehbar war, dass die Zukunft von MetaGer an der Universität Hannover auf lange Sicht nicht gesichert werden konnte, wurde der SUMA-EV als Trägerverein MetaGers gegründet und MetaGer darin rechtlich verankert. Die Kooperation mit der Universität Hannover, so auch das MetaGer-Hosting, lief dann 2012 aus. Am 30. September 2012 wurde Dr. Wolfgang Sander-Beuermann zudem pensioniert, was eine weitere Entkopplung des Vereins von der Universität Hannover zur Folge hatte. Es gab somit die Notwendigkeit und zugleich Chance, MetaGer auf eigene Füße zu stellen und endgültig aus der Foschungsprojektecke zu holen, um auch eine gewisse Professionalisierung in Gang zu setzen. In diesem Jahr wurde nicht zuletzt aus diesen Gründen ein weiterer Schritt in Richtung Professionalisierung getan: das Büro wurde gegründet, erste Mitarbeiter wurden eingestellt.

Dr. Wolfgang Sander-Beuermann sagt über diese Zeit:

„Im Jahr 2012 wurde ich zum 30.9. pensioniert. Bis dahin musste MetaGer auf eigenen Füßen stehen. Mittlerweile war auch das Wissenschaftsministerium in Hannover (und auch in Berlin) auf das Projekt aufmerksam geworden und stand dahinter. Diese ideelle Unterstützung von so vielen Seiten (einschließlich der Leitung der Uni) machte alles erst möglich. Offensichtlich mochte man auch im Wissenschaftsministerium keine Datenmonopole. Am 1.10.2012 war dann große Einweihung mit „Schnittchen & Sekt“ des SUMA-EV-Büros in der Röselerstraße 3.“

Wie ging es weiter?

„Gemeinnütziger Verein zur Förderung der Suchmaschinen-Technologie und des freien Wissenszugangs, SuMa-eV“: so hieß der Verein zunächst bei der Gründung. Im Jahr 2009 wurde er dann in SUMA-EV umbenannt: „Verein für freien Wissenszugang“. Wie auch im Wikipedia-Artikel über den SUMA-EV nachzulesen6, gehörten zu seinen Gründungsmitgliedern neben Dr. Wolfgang Sander-Beuermann noch Karlheinz Brandenburg (Technische Universität Ilmenau), Wolfgang Ertmer (Universität Hannover) und Rainer Appelt (Neue Medien Landeshauptstadt Hannover/ Bundesverband Deutscher Internet Portale, BDIP).

In dieser Zeit wurde die Kritik an der Monopolstellung Googles immer lauter. Inzwischen hatte sich Google den Markt erobert und schien uneinholbar an der Spitze der Suchmaschinen. Google entwickelte Dienste, die die Macht weiter ausbauten und die Abhängigkeit der Nutzer stärkten: von Chrome angefangen, über Googlemaps bis zu Google Classroom. Die Vorteile und leichte Nutzbarkeit, die der Gigant nicht zuletzt durch die Vernetzung und Bevorzugung seiner Dienste erreichen konnte, führte zu einem Marktvorteil, der sich immer weiter reproduzierte. Die Präferenz für eigene Dienste wirkte sich auch zunehmend auf die Qualität der Suchergebnisse aus. Hier begannen Alternativen wie MetaGer immer wichtiger zu werden.

Der Verein bildete angesichts dieser Entwicklung nicht nur den rechtlichen und strukturgebenden Rahmen für den Betrieb der Suchmaschine, sondern wollte auch eine gesellschaftspolitische Rolle einnehmen bzw. gesellschaftliche Entwicklungen begleiten. Diese nahmen durchaus eine politische Dimension an, bei aller parteilicher Unabhängigkeit.

Das Aufkommen digitaler Märkte warf ungefähr ab 2007 die Frage auf, ob die bestehenden wettbewerbsrechtlichen Regeln geeignet sind, die durch die technologische Revolution verursachten Wettbewerbsherausforderungen zu bewältigen. „Google muss reguliert werden“, lautete 2008 ein Statement von Professor Maurer aus Graz, das damals auf MIT Technology Review (Magazin für Innovation) veröffentlicht wurde. (Leider ist die Seite nicht mehr existent).

EU-weit: Informationsfreiheit und Unabhängigkeit

In mehreren Aktionen, in denen auf EU-Entscheidungen Einfluss gewonnen werden wollte, positionierte sich auch der SUMA-EV gegen das Monopol Googles, so in der Stellungnahme des SUMA-EV im EU-Kartellverfahren gegen Google im Jahr 20137 in einem offenen Brief: Kritisiert wurde beispielsweise das Auktionsmodell Googles sowie die Tatsache, dass Google auf den meisten Browsern Standardsuchmaschine ist. Neben der Bekämpfung des Monopolstatus der Tech-Giganten, wurde die Forderung nach einem Aufbau eines europäischen offenen Web-Index zu einem zentralen Anliegen und ist es bis heute.

Interessanterweise hat sich jetzt, zwanzig Jahre nach Vereinsgründung, genau so eine Perspektive im Sinne der damaligen Vereinszielsetzung entwickelt. Das Projekt OpenWebSearch.EU wird einen Beitrag zur digitalen Souveränität Europas leisten und einen offenen Suchmaschinenmarkt fördern. Der SUMA-EV war mit langem Atem ein früher Förderer und ist an der Entwicklung dieser europäischen Alternative als unabhängiger Partner auch aktuell mit im Boot.

1 https://en.wikipedia.org/wiki/MetaCrawler

2 https://suma-ev.de/interview-zur-historie-von-metager/

3 http://www.noack-grasdorf.de

4 http://www.noack-grasdorf.de/index_htm_files/LUH-EDV.pdf

5 https://idw-online.de/mobile/de/news263064

6 https://de.wikipedia.org/wiki/Suma_e._V.

7 https://suma-ev.de/stellungnahme-des-suma-ev-im-eu-kartellverfahren-gegen-google/

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