Ausbruch aus der Monokultur, 12-ter SUMA-EV Kongress

Ausbruch aus der Monokultur, 12-ter SUMA-EV Kongress

Der 12-te SUMA-EV Kongress 2015 debattiert über Offenen Web-Index und neue Wege, der Netzüberwachung zu entkommen

Auf dem 12-ten SUMA Kongress 2015 an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) läutet der SUMA-EV eine neue Phase konstruktiver Auseinandersetzung mit dem Phänomen Google ein. Von der Öffentlichkeit noch kaum erkannt, sehen Experten, dass Googles Dienstleistung für öffentliches Finden von Webinformationen inzwischen deutliche Schwächen zeigt. Der Strategiewechsel des Unternehmens eröffnet Spielräume. Der Offene Web-Index, das wurde auch in der Diskussion deutlich, könnte ein Ansatz sein, aus Europa in einen konstruktiven Wettstreit um bessere Lösungen einzutreten. Der SUMA-EV, so deren geschäftsführender Vorstand Dr. Wolfgang Sander-Beuermann, wird diesen Ansatzpunkt weiter verfolgen.

Google-Bashing war gestern

Unter dem Titel „Das Internet im Zeitalter von Überwachung und Manipulation – Der Offene Web-Index und andere Gegenmittel“ diskutierte der 12-te SUMA-Kongress am 11.2.2015 in Hamburg über ganz konkrete Pfade, die Google-Monokultur zu überwinden. Klar wurde: Das Google von heute ist nicht mehr das Google von gestern. Und statt Google-Bashing will man künftig darüber reden, wie man die Google Monokultur überwinden kann. Der Offene Web-Index, das konnte Prof. Dirk Lewandowski zeigen, kann ein Weg sein, mit dem die DNA der Wissensgesellschaft als öffentliche Infrastruktur gesichert werden könnte und mit dem statt einer Google dominierten Monokultur verschiedene Wege, Webwissen auffindbar zu machen, entwickelt werden können.

Während die Öffentlichkeit sich eine Webwelt jenseits von Google kaum mehr vorstellen kann, nehmen Experten längst Differenzierungen wahr. „Wer ist David, wer ist Goliath“ fragte Prof. Karsten Weber von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus Senftenberg eröffnete eine sehr differenzierte Bilanzierung. Disruptive Interventionen konstatierte der Hamburger Datenschutzbeauftragte Prof. Johannes Caspar anhand der Rechtssprechung des europäischen Gerichtshofs zu Google Spain.

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In den Bann schlug der Journalist Joachim Jacobs, als er auf die Frage, was das Internet der (infizierten) Dinge mit den Profilen von Personen und Personen macht. Die simple Antwort: All, what you could expect. Wissenschaftlich differenziert setzte sich der Mainzer Publizistikwissenschaftler Pascal Jürgens mit dem Thema auseinander. Unter dem Titel „Besser alleine als in schlechter Gesellschaft“ trug er Erkenntnisse und Studien über Userverhalten und seine Folgen zusammen. Konkret zeigte der Berliner Journalist Albrecht Ude, welche Spuren jeder von uns bei Google hinterlässt und was jeder Einzelne heute schon tun kann.

Freenetproject.org gewinnt 7-ten SUMA-Award mit überwachungs- und zensursicherer Internetlösung

Auch der bereits zum 7. Mal verliehene SUMA-Award war der Frage der Lösungen verpflichtet. Der Preisträger des mit 2500 € dotierten Preises, [http://freenetproject.org|freenetproject.org] hat eine Lösung geschaffen, wie auch in Zeiten totaler Transparenz der Netzkommunikation Vertraulichkeit und Datensicherheit möglich sind. Der Preis, so Arne Babenhauserheide, der ihn stellvertretend für das Projekt entgegennahm, wird es ermöglichen, den Programmierer für ein oder zwei Monate weiter zu finanzieren.

http://freenetproject.org

hat eine freie Software entwickelt, die es ermöglicht, anonym zu surfen, Freeseiten und Dateien zu veröffentlichen und sich zu unterhalten, ohne Überwachung und Zensur fürchten zu müssen. Freenet ist dezentral organisiert, um es resistenter gegen Angriffe zu machen und im „Darknet“-Modus sehr schwer zu entdecken, da sich Nutzer dann nur mit ihren Freunden verbinden.

There is an Alternative!

Mit konkreten Lösungen beschäftigten sich die Nachmittagsreferenten. Michael Nebel, IT-Berater, Softwareentwickler und SUMA-EV Vorstandsmitglied, beschäftigte sich mit den technischen Voraussetzungen eines globalen, offenen Web-Index. Konstantin Guratzsch führte eindrucksvoll vor, wie stark
sich die Google-Suche im Zeitverlauf geändert hat. Sein Titel „Mit Google Google finden“ machte deutlich, dass das Unternehmen Google derzeit die Sicherung des eigenen Wettbewerbsvorteils gegenüber den nachgefragten Informationen sehr stark präferiert; und sich damit, auf dem Höhepunkt des Erfolgs, angreifbar macht. Prof. Dirk Lewandowski beschrieb vier Probleme mit Google und wog sechs Lösungswege ab:

  • Problem Nr. 1, Google stellt nur einen von vielen Lösungswegen dar,
  • Nr. 2 stellt die wachsende Bevorzugung des eigenen Contents dar, als
  • Nr. 3 skizzierte er ein immanentes Problem der Google-Monokultur, nämlich dass diese die Suchmaschinenoptimierung mitsamt ihren fatalen Folgen erst möglich macht (bei der Existenz unterschiedlicher Suchmaschinen verlören Optimierungsstrategien ihre durchschlagende Wirkung. Und schließlich ist
  • Nr. 4 die Dominanz des Unternehmes bei der Online-Werbung.
    Von den sechs debattierten Lösungsstrategien sind aus seiner Sicht fünf mit großer Sicherheit unwirksam:

1) „Der Markt wird’s richten“, hat nicht funktioniert, die Eintrittsschwelle für Unternehmen ist bei dieser Marktmacht und dem technologischen Vorsprung zu groß.

2) Die Idee, Google zu fairer Ergebnisanzeige zu verpflichten, würde zu einem komplizierten Konstrukt von Beiräten führen.

3) Die Frage, „wollt ihr eine neue öffentlich-rechtliche Rundfunkkonstruktion“, wurde von vielen Zuhörern spontan verneint.

4) Google zu zerschlagen, stellt eine nicht nur unrealistische, sondern auch destruktive Strategie dar; niemand stellt die technologische Kompetenz des Unternehmens in Frage. Und die Idee

5) eine alternative Suchmaschine, wie immer wieder gefordert, mit Staatsmitteln aufzubauen, scheint schon aus Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit nicht realistisch.

Der Offene Webindex als eine öffentlich finanzierte und bereitgestellte Infrastrukturleistung scheint da eine ebenso machbare wie wettbewerbsfördernde Lösung.

In der abschließenden, sehr offenen Diskussion „Duchregulieren oder Liberalisieren; Wie sollte man mit Google & Co umgehen?“ wurde das Thema vom Wetttbewerbsrechtler Nikita Ivlev, Universität Göttingen, Joachim Jacobs und Dirk Lewandowski kontrovers diskutiert.

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Nikita Ivlev warnte davor, das Kartellrecht überzustrapazieren. Jacobs plädierte dafür, Google nicht zu zerschlagen, sondern auf neue technologische Lösungen zu setzen; Google dumm machen, so seine These, sei keine Lösung. Prof. Dirk Lewandowski plädierte für Aufklärung, „es ist kein Verständnis für das Thema Suche da“, bevor er abschließend ein umfassendes Plädoyer für den Offenen Web-index formulierte: „Das europäische Gesellschaftsmodell steht hier in der Pflicht. Infrastruktur ist Kernaufgabe für die öffentliche Hand. Es geht um den kulturellen Auftrag des Staates im Informationszeitalter: Es geht darum, die Struktur des Wissens über die Welt als öffentliche Aufgabe zu sichern; und damit den Wettbewerb um die beste Möglichkeit, es den Menschen zur Verfügung zu stellen, neu zu eröffnen.

„Wir werden das Thema Offener Web-Index gemeinsam weiter ausarbeiten und detaillieren“, so Dr. Wolfgang Sander-Beuermann in seinem ersten Resümee. „Es ist ein realistisches Konzept, das die Tradition der europäischen Gesellschaft im Informationszeitalter intelligent interpretiert.“ Der SUMA-EV wird dazu seine Zusammenarbeit mit der Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) fortsetzen.

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