OpenAccess/freiesWissen <-> Urheber-/Leistungsschutzrecht

Wenn ich Blogeinträge schreibe, dann weiss ich (sonst) meistens, was dabei herauskommt, oder zumindest, was ich möchte, dass es dabei herauskommt. In diesem Blogeintrag ist das anders: denn ich habe bisher keine klare Meinung oder Position zum in der Überschrift genannten Thema. Ich habe womöglich manchmal sogar mehrere Meinungen dazu in mir, die sich vielleicht sogar widersprechen. Dennoch ist mir klar, dass unsere digitale Wissensgesellschaft aus dem jetzigen Urheber-/Leistungsschutzrecht und ihren Verwertungsmodellen einen Weg in die Zukunft finden muss.

Wenn ich mich umschaue, welche Positionen andere zu diesem Thema haben, dann kann ich nur eine Gruppe erkennen, welche eine ganz glasklare Position hat: nämlich die Gruppe, die nichts verändern möchte, und alles Bisherige auch in der Zukunft fortsetzen möchte, die Digitalisierung und das Internet ignorierend, bzw. mit der Forderung, dass das Internet an das tradierte Recht angepasst werden müsse. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Position zukunftsfähig ist.

Um meine Gedanken zum Thema weiter zu sortieren, beginne ich mit einer Erfahrung aus meinem eigenen Leben. 1995 hatte ich ein Buch geschrieben mit dem Titel „Internet: Kurz und fündig“. Bereits beim Schreiben hatte ich dem Verlag gesagt „ich will das Buch aber hinterher, wenn es fertig ist, auch allgemein verfügbar und kostenlos zugänglich ins Internet stellen“. Vom Verlag gab es dagegen keine Einwände, und so wurde es gemacht. Ich hatte an dem Buch ca. 2,5 Monate gearbeitet. Von dem Verkauf des Buches bin ich nie reich geworden, verdiente aber etwa soviel, wie ein halbwegs überlebensfähiges Gehalt für einen promovierten Ingenieur sein mochte.

Diese Geschichte zeigt, dass Anfang bis Mitte der 90-Jahre das Modell „Buch schreiben – Papierversion verkaufen – parallel offen ins Netz stellen“ funktionierte. Da der Bücherverkauf seit der Zeit meines Wissens, trotz vieler frei im Netz stehender Texte, nicht zurückgegangen, sondern eher gestiegen ist, dürfte dieses Modell nach meiner Einschätzung auch heute noch funktionieren. Ein Buch hat eben eine besondere Qualität, die kein Bildschirm ersetzen kann. Für Bücher wird dies wahrscheinlich auch zukünftig gelten.

Medien

Nun frage ich mich, ob dieses Modell auf andere Medien übertragbar ist. Schauen wir uns Zeitungsartikel an. Dazu kann ich aus meiner Erfahrung nur sagen, dass ich die kurzen Texte aus Zeitungsartikeln genauso gern, oder lieber sogar – weil schneller, besser auswählbar usw. – auf dem Bildschirm lese. D.h. für Zeitungen dürfte obiges Modell („schreiben – Papierversion verkaufen – parallel offen ins Netz stellen“) zum Ruin führen. Genau das beobachten wir in den USA gerade, und bei uns wird es mit den üblichen paar Jahren Verzögerung ebenso geschehen (wenn wir nach diesem Modell verfahren). Das bedeutet ein Stück kultureller Verarmung, sofern sie nicht durch neue Kreativität und Geschäftsmodelle aufgefangen wird.

Konsequenzen

Welche Konsequenzen hat oder hatte dieses Modell („produzieren – auf Trägermedium verkaufen – parallel offen und kostenlos ins Netz stellen“) für weitere Kulturgüter? Schauen wir in die Musikbranche: dort hat dieses Modell bereits heftig „zugeschlagen“: den Musikverlagen geht es schlecht, weil das Trägermedium CD drastisch weniger verkauft wird. Hat es aber auch dazu geführt, dass weniger Musik gemacht wird? Im Gegenteil, aber es hat zu einer Renaissence der Live-Musik geführt. Kulturelle Verarmung? Sehe ich nicht.

Wie ist es in der Filmindustrie? Was geschieht, wenn Filme nicht nur im Kino angeschaut, sondern massenhaft im Internet downgeladen werden? Ich befürchte, der Filmindustrie steht ihr Waterloo noch bevor. Oder ist sie schon mitten drin? Ich weiss es nicht, aber es wird eng werden.

Die vorigen Absätze habe ich geschrieben, um zu zeigen, dass es gut ist, sich vorher zu überlegen, welche Konsequenzen welche Maßnahmen haben. Ist uns eine Gesellschaft ohne (oder mit sehr wenigen) Zeitungen auf Papier recht? Interessieren uns Filme wenig? Wenn es so sein sollte, dann könnten wir es so machen („produzieren – Produkt auf Trägermedium verkaufen – parallel offen und kostenlos ins Netz stellen“). Aber dann werden sich eben nur noch Produzenten für diejenigen Produkte finden, die genug Einkommen erwirtschaften, von dem man leben kann. Wenn wir andere Produkte nicht brauchen, dann ist es auch in Ordnung so. Wenn wir meinen, dass wir sie doch brauchen, dann müssen wir uns andere Modelle überlegen, auch Geschäftsmodelle.

Und sicherlich gibt es genug andere Modelle. Was die Diskussion nicht einfacher macht, aber motivieren muss, genügend Modelle zu durchdenken, und auch auszuprobieren.

Der obige Text ist mein aktueller Status am heutigen Tage (17.9.2009) zum Thema. Morgen mag er sich verändert und erweitert haben. Vor allem darum schreibe ich diesen Text, um andere Gedanken dazu kennenzulernen, die vielleicht ihren Weg hierher finden.

Wolfgang Sander-Beuermann

Update: Unter http://www.telemedicus.info/article/1533-Interview-Urheberrecht-und-Informationsfreiheit.html gibts ein lesenswertes Interview mit Till Kreutzer zum Thema

About the author

Dr.-Ing. Wolfgang Sander-Beuermann: MetaGer & SUMA-EV Founder
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