Brief des SUMA-EV an die Europäische Kommission, „Google-Case“

Brief des SUMA-EV an die Europäische Kommission, „Google-Case“

SUMA-EV – Verein für freien Wissenszugang 21.5.2013
Röselerstr. 3
D-30159 Hannover
office@suma-ev.de

European Commission
Directorate-General for Competition
Antitrust Registry
B-1049 Bruxelles/Brussel
COMP-GOOGLE-CASES@ec.europa.eu

Referenz Nummer: AT.39.740 – Google

Sehr geehrte Damen und Herren,

in Ihrer Pressemitteilung „Kartellrecht: Kommission bittet um Stellungnahme zu den Verpflichtungszusagen von Google zur Ausräumung wettbewerbsrechtlicher Bedenken“ vom 25.4.2013 fordern Sie interessierte Dritte auf, zu den Verpflichtungszusagen von Google in den Bereichen Online-Suche und Suchmaschinenwerbung Stellung zu nehmen.

Unsere Organisation SUMA-EV – Verein für freien Wissenszugang, arbeitet seit 2004 im Bereich der Internet-Suchmaschinen. Wir engagieren uns als eingetragener und gemeinnütziger Verein für einen freien Wissenszugang, in dem die Suchmaschinen eine wesentliche Rolle einnehmen. Das Kürzel „SUMA“ steht daher für die Abkürzung von Suchmaschine; wir sind entstanden aus einem Projekt der Leibniz Universität Hannover, welches im Jahre 1996 mit der Entwicklung und dem Betrieb der größten deutschen Meta-Suchmaschine MetaGer online ging. MetaGer.de ist in den SUMA-EV übergangen und wir fördern und entwickeln etliche weitere Suchmaschinen als Alternativen zu marktbeherrschenden Konzernen.

Wir verstehen uns u.a. als ein Dachverband unabhängiger Suchmaschinenbetreiber; Sie finden eine Zusammenstellung von ca. 25 Suchmaschinen, die von unseren Mitgliedern betrieben oder entwickelt werden unter [1]. Wir haben daher mit besonderem Interesse das Kartellverfahren gegen Google verfolgt, und die neuen Verpflichtungszusagen von Google gelesen.

Wir halten diese Verpflichtungszusagen für unzureichend.

Die genannten Zusagen sind aus unserer Sicht Selbstverständlichkeiten, die keinesfalls geeignet sind, in diesem extrem dominierten Markt wieder Wettbewerb zu schaffen.

Die erste Verpflichtungszusage von Google „die Links zu seinen eigenen spezialisierten Suchdiensten zu kennzeichnen, damit die Nutzer sie von natürlichen Online-Suchergebnissen unterscheiden können“ wird u. E. nicht zu mehr Wettbewerb führen. Eine Kennzeichnung der Google-eigenen Dienste erlaubt weiterhin den Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung der Suchmaschine. Abhilfe kann nur geschaffen werden, wenn beim Suchranking für alle Webseiten und Dienste die gleichen Regeln gelten. Dies muss auch Googles eigene vertikale Suchdienste mit einschließen, die aktuell zu Lasten von Wettbewerbern und Verbrauchern innerhalb der Suchergebnisse bevorzugt werden.

Geschieht dies nicht, so reicht u.E. die bloße Kennzeichnung der Google-eigenen Dienste nicht aus. Denn die Listung dieser Dienste am Anfang der Suchergebnisse kommt Eigenwerbung gleich. Aus diesem Grund müssten die Dienste entsprechend als Werbung gekennzeichnet werden. Dies ist auch bereits durch geltendes Recht abgedeckt: Werbung in Suchmaschinen ist immer als solche zu kennzeichnen. Folglich liegt u.E. bereits seit langer Zeit gesetzeswidriges Verhalten von Google vor, denn die Verbraucher wurden nicht darüber informiert, dass Googles eigene Dienste Ihnen lediglich zuerst angezeigt werden, weil Google Einfluss auf die Suchergebnisse nimmt und nicht etwa, aufgrund ihrer Relevanz.

Die folgenden drei Verpflichtungszusagen von Google beziehen sich im Kern auf das Verbot von Exklusivverträgen mit Partnerfirmen. Auch dies dürfte bereits jetzt durch geltendes Wettbewerbsrecht selbstverständlich sein.

Unseres Erachtens müssen hier wesentlich weiter reichende Verpflichtungen auferlegt werden. Denn der entscheidende Faktor dieser Marktdominanz einer einzigen Suchmaschine liegt darin, dass Google die voreingestellte Suchmaschine in den meisten Browsern ist. Der normale Nutzer wird diese Voreinstellung unverändert lassen. Google hatte im Dezember 2012 für knapp 1 Mrd. Dollar für mindestens weitere 3 Jahre die Voreinstellung im Firefox-Brower eingekauft. Weiterhin ist Google als Suchmaschine voreingestellt im eigenen Browser Chrome, sowie Opera und Safari [2]. Im Bereich der PC-Desktopsuche erreicht Google damit in Europa allein durch diese Voreinstellungen mehr als die Hälfte aller Nutzer; im Bereich der mobilen Endgeräte liegt dieser Anteil auf jeden Fall sogar noch wesentlich höher.

Darum ist an dieser Stelle anzusetzen, und es sollte vorgeschrieben sein, dass der Nutzer eine Standard-Suchmaschine bei der Installation des Browsers selber aussucht. Genauso, wie in den Verfahren gegen Microsoft in den Jahren 2005-7 entschieden wurde, dass Microsoft dem Nutzer verschiedene Browser und Medienabspielprogramme bei der Installation zur Auswahl anbieten
muss [3].

Des Weiteren sollte es vorgeschrieben sein, dass Google als voreingestellte Suchmaschine nicht in die Adresszeile von Browsern integriert werden darf. Denn der normale Nutzer führt seine Suchen mittlerweile meist gar nicht mehr durch gezielte Eingabe in eine Suchmaschine aus, sondern gibt die Suchwörter einfach in die oberste Zeile des Browsers ein, von wo sie automatisch an Google weitergeleitet werden.

Bezüglich des o.g. Verpflichtungsvorschlags von Google zur Kennzeichnung eigener Dienste ist zu fordern, dass die Google-eigenen Dienste gar nicht vor den natürlichen Suchergebnissen aufgeführt werden dürfen, sondern dass diese Ergebnisse so behandelt werden, wie alle anderen Suchergebnisse auch.

Damit in diesem extrem dominierten Markt nun überhaupt noch Wettbewerb neu entstehen kann, ist weiterhin zu fordern, dass Google seinen Index über eine öffentlich verfügbare Schnittstelle auch Konkurrenten in einem gewissen Ausmaß zur Verfügung stellt – beispielsweise bis zu einer Maximalgrenze von ca. 10% der an Google gestellten Abfragen pro Tag -, so dass hier Konkurrenz wieder wachsen kann. Denn diese Konkurrenz wurde von Google in den vergangenen Jahren durch wettbewerbswidriges Verhalten ausgeschaltet.

Unsere Erfahrungen im Bereich der Internet-Suchmaschinen reichen mehr als 17 Jahre zurück. Wir hoffen, mit unseren Einwänden, Vorstellungen und Vorschlägen aus unserer langjährigen Erfahrung heraus einen Beitrag zum Wiederentstehen des Wettbewerbs in diesem fundamentalen Bereich der Internet-Wirtschaft zu leisten.

Gern stehen wir für persönliche Gespräche zu Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Sander-Beuermann
(Vorstandsmitglied und Geschäftsführer SUMA-EV)

[1] http://www.suma-ev.de/sumas.html

[2]http://articles.businessinsider.com/2011-12-22/tech/30545697_1_default-search-engine-google-apps

[3] http://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=EuG&Datum=17.09.2007&Aktenzeichen=T-201/04

Update:
Weitere Stellungnahmen finden Sie unter
http://www.i-comp.org/en_us/market-testing

About the author

Dr.-Ing. Wolfgang Sander-Beuermann: MetaGer & SUMA-EV Founder
http://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Sander-Beuermann

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