Turing-Test reverse: wann sind Computerprogramme ‚intelligenter‘ als Menschen?

In einem Vortrag zur DGI-Tagung auf der Frankfurter Buchmesse 2009 habe ich zu zeigen versucht, dass wir erst ganz am Anfang einer wissenstechnologischen Entwicklung stehen, welche Perspektiven eröffnet, die wir bisher für utopisch hielten und allein der Science Fiction zuordneten: „allwissende“ Informationssysteme widersprechen NICHT den Fundamentalsätzen der Physik, und sie WERDEN eines Tages funktionierende Realität werden. Dabei sprechen wir zwar über Zeiträume von Jahrzehnten oder Jahrhunderten, aber wir müssen unsere gesellschaftlich-politischen Randbedingungen daran orientieren, damit 1984 nicht 100(?) Jahre später doch noch real wird.

Obiges Faktum („allwissende Informationssysteme werden Realität werden“) sagt noch nichts darüber aus, wie diese „Allwissenheit“ strukturiert und organisiert ist, auf welcher physikalischen Basis sie realisiert wird und welchen Grad sie erreicht. Werden solche System den Turing-Test bestehen? Die Antwort ist offen. Nehmen wir aber einmal an, wofür es gute Gründe gibt, solche Systeme werden nach den Kriterien des Turing-Test als „intelligent“ bezeichnet werden können.

Dann muß die nächste Frage doch folgerichtig lauten: kann es auch Systeme geben, welche die menschliche Intelligenz ÜBERTREFFEN? Wie könnten wir dieses messen und feststellen?

Im „normalen“ Turing-Test sitzen Menschen in einem Raum, die sich mit anderen Menschen, aber auch Computerprogrammen in einem zweiten Raum per Tastatur und Bildschirm unterhalten. Wenn die Menschen in dem einen Raum nicht mehr unterscheiden können, ob derjenige, mit dem sie sich im anderen Raum unterhalten, ein Mensch oder ein Computer ist, dann nennt man diesen Computer, bzw. das Programm „intelligent“. Der Erfinder dieses Tests, Alan Turing, vermutete, dass es bis zum Jahr 2000 möglich sein werde, Computer so zu programmieren, dass der durchschnittliche Anwender eine höchstens 70-prozentige Chance habe, Mensch und Maschine erfolgreich zu identifizieren. Diese Vermutung hat sich nicht erfüllt. Allerdings hat es ein Programm bereits geschafft, 25 Prozent der menschlichen Versuchsteilnehmer zu täuschen. Daher sehe ich die Wahrscheinlichkeit als hoch an, dass es eines Tages ein Programm geben wird, welches die Turing-Bedingung („70% der Menschen können Mensch und Maschine nicht mehr unterscheiden“) erfüllt.

Was müsste nun ein Programm leisten, welches eine höhere Intelligenz als die menschliche besitzt? Dazu stellen wir uns vor, dass auf der Seite des Turing-Experimentes, auf dem bisher allein die Menschen sitzen, nun Menschen UND Computer „sitzen“, welche beide entscheiden sollen, ob die Kommunikationspartner im anderen Raum Menschen oder Computer sind. Wenn es Computerprogramme gibt, welche diese Entscheidung mit höherer Treffsicherheit als Menschen treffen, dann können wir sagen, sie haben im Sinne der Turingschen Intelligenz einen höheren Turing-IQ. Unvorstellbar ist das nicht …

Die nächste Frage ist dann die, ob wir damit die Technologische Singularität erreicht haben. Möglicherweise ist es so. Aber wahrscheinlicher ist es, dass dieses eine zwar notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung ist.

About the author

Dr.-Ing. Wolfgang Sander-Beuermann: MetaGer & SUMA-EV Founder
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